Bild oben:
Die Wahl ist getroffen: links ab.
21. Tag / Sonntag, 15. April
Wie gut meine Entscheidung war, in der Coward Springs Railway Site zu nächtigen, zeigt der Anblick von Williams Creek. Schmucklos, öde, nothing. Links geht es ab nach Coober Pedy. Noch 160 Kilometer. Die letzten hundert Kilometer bis Coober Pedy sind irgendwie mehr als eintönig. Der Ort selbst lebt wohl mehr von seinem Namen als von seiner Attraktivität. Es ist ein Nest, in dessen näherem Umfeld hauptsächlich Löcher gegraben werden. Jeder, der hier her kommt, wühlt in der Erde und hofft, dass er das findet, wonach er sucht – Opale.
Der Name ist Programm
Häuser stehen hier nicht viele, die Menschen wohnen unter der Erde. Das klingt schlimm, ist aber praktisch. Unter der Erde herrschen gleichbleibende Temperaturen, für Luftzufuhr ist gesorgt. Der Boden ist so fest, dass die Menschen ihren Wohnraum statt gebaut, ausgegraben haben. Nichts muss abgestützt werden. Wer anbauen will, holt die Schaufel raus, beziehungsweise den kleinen Bagger. So kam Coober Pedy auch zu seinem Namen. „kupa piti“ sagen die Aborigines, was in ihrer Sprache heißt: „Weißer Mann im Loch“.
Grabstellen
Opale sucht der weiße Mann im Loch aber nicht in der eigenen Wohnung (es ist sogar verboten, innerhalb der Stadtgrenze nach Opalen zu graben), dazu wühlt man weiter draußen. Senkrecht von oben in die Erde und dann quer. Das ist durchaus gefährlich. Denn entgegen dem Wohnraum wurden Grabstellen auch schon zu selbigen im weiteren Sinn. Nicht selten sind auch Menschen regelrecht von der Oberfläche verschwunden. Sie sind in die tiefen Löcher gefallen, weil diese nicht abgesichert waren. Über Tage sieht Coober Pedy wie eine Maulwurfsiedlung aus. Hügel neben Hügel. Der Abraum muss ja irgendwo hin.
Charming Town
Da dieser Ort, wie gesagt, den Charme der Trostlosigkeit versprüht, laufe ich zur Tourist Information. Ich sollte wieder mal dringend ins Internet, meine Mails checken. „Wir schließen in 15 Minuten“, sagt die junge Mitarbeiterin. Dann eben ins Internetcafe, das ich zwei Straßenzüge weiter finde. Ich investiere 3 Dollar, um mit der Welt in Kontakt zu bleiben und zu erfahren, dass Freiburg einen Jahrhundert-April mit 25 Grad Tagesdurchschnittstemperatur erlebt. Sogar die Tagesschau zeigt Bilder im Internet. Ich muss gestehen, als Sommermensch bin ich etwas beleidigt. Aber was soll’s. Wenn ich schon mal hier bin, dann will ich mich auch ein bisschen umsehen.
Deutsche Bäckerei mit der Lizenz zum Graben
Auf der Suche nach Brot muss ich nicht graben. Denn ich finde bei meinem Rundgang eine german bakery. Ingrid und ihr Mann Andreas, ein Ungar, haben den Laden vor einem halben Jahr übernommen. Nebenher graben sie nach Opalen und sind zufrieden mit ihrem Leben. Schon seit 1956 ist Ingrid (die mir ihr Alter nicht verraten will, aber ich könne ja nachrechnen) in Australien. Von ihr erfahre ich auch, dass der kleine Opal an meinem Akubra mit größter Wahrscheinlichkeit aus Coober Pedy kommt. Aha.
Noch ein paar Worte, Brot eingepackt und tschüss. Coober Pedy ist inzwischen wohl mehr Touristenort als australisches Lifestyle. Trotzdem, man sollte es gesehen haben.
Tanken nicht vergessen. Im Outback sollte man den Tank immer voll machen, wenn Gelegenheit dazu ist. Gesagt, getan. Die Kreditkarte will nicht, hoffentlich nichts Ernstes. Ich werde sie noch brauchen. Ich löhne cash. Jetzt hätte ich Kleingeld für die Coward Springs Railway Site.
Ganz weit draußen
Gegen 16 Uhr mache ich mich auf den Weg Richtung Oodnandatta, das berühmte – oder auch nicht – Fleckchen auf dem gleichnamigen Track nach Norden. Die Fahrt nach Norden in die Abendsonne zur Linken hat was. Endlich mal wieder Asphalt unterm Reifen und nicht auf spitze Steine auf dem Weg achten müssen. Das beste aber sind die letzten 40 Kilometer nach Osten Richtung Copper Hills, mein Ziel für den Tag. Dort gibt es eine Campsite. Die Sonne im Rücken, roter und gelber Sand im Wechsel unter den Rädern und ein wunderbares Licht. Gutes Timing. Allerdings, Copper Hills ist geschlossen und ich fahre weiter auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz.
Bevor es zu dunkel wird steuere ich 20 Meter weg von der einsamen Piste einen ebenen Platz an, „sichere“ nach allen Seiten gegen Schlangen und Spinnen und sammle etwas Holz für ein Feuer, nicht ohne vorher mit dem Fuß dagegen zu treten. Da könnte was weiß ich alles drunter hervorkriechen. Das Abendessen ist einfach, aber ich genieße es: Brot mit Cheddar-Käse und wie immer nach einem staubigen Tag ein Victoria Bitter. Zounds, it was a bloody good idea to buy enough stuff for da desert.
Allein?
Als das Feuer runtergebrannt ist, mache ich mich in die Koje. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gegen eine Dusche opponiert. Aber Traudel, die Dumpfnuss von Karl, dem Wagenauslieferer, hat ja dummerweise in Cronulla die solarshower nicht ins Auto gepackt. Dafür hat sie ihren Mann mehrfach in österreichischem Akzent gefragt „Didd ju tschäck da Kreditkoart?“ Für mich bleibt nur noch, zugestaubt und ungeduscht ins Dachzelt zu steigen.
Aber vorher passiert Erstaunliches: obwohl ich mutterseelenallein im Outback bin, schließe ich das Auto ab und nehme den Schlüssel mit hoch. Warum eigentlich? Ich weiß es nicht. Sehr wahrscheinlich habe ich gedacht, vielleicht beobachtet mich schon jemand und wartet nur darauf, bis ich mich schlafen lege. Schließlich bin völlig einsam irgendwo ganz weit draußen! Vielleicht nennt man die Gründe für so ein Verhalten einfach nur Urangst.