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The Day after.
22. Tag / Montag, 16. April
Die Belohnung fürs Überstehen der „bedrohlichen“ Nacht ist ein wunderschöner, warmer Morgen bei tiefblauem Himmel. Alles um mich herum ist friedlich, es herrscht eine absolute Stille. Als ich die Leiter vom Dachzelt runtersteige, sehe ich, dass das Fenster an der Fahrerseite offen ist. „Scheiße, nein!“. Ich zucke zusammen. Also doch! Die Tür ist immer noch abgeschlossen. Ich brauche einige Zeit bis ich festgestellt habe, dass nichts fehlt. Und dann wird mir klar, dass ich in der Dunkelheit nicht bemerkt hatte, dass das Fenster noch runtergekurbelt war, als ich das Auto „gesichert“ habe.
Theorie
Nun muss man sich mal folgendes vorstellen: Wie von mir aufgrund irgendeiner nicht nachvollziehbaren Ahnung angenommen, beobachtet mich in der Nacht wirklich jemand da draußen die ganze Zeit. Er wartet und kommt – nachdem ich eingeschlafen bin – ans Auto. Dort findet er die verschlossenen Türen und das geöffnete Fenster. Was denkt er sich? Was muss er sich denken? Ganz klar, hier gibt es nichts zu holen, sondern hier droht Gefahr. Denn Dummheit ist ja nur allzu oft der Begleiter der Gefahr. Und wer so dämlich ist, das Fenster zu öffnen und dann die Tür abzuschließen, muss brandgefährlich sein. Logisch.
Nun, vielleicht hat mich in dieser Nacht wirklich ja nur die Logik gerettet. Wovor auch immer.
Painted Desert
Beim Kaffee stöbere ich in den Karten und komme zum Schluss, dass ich am Evelyn Creek übernachtet habe. Und, dass ich an der Painted Desert vorbei kommen werde, die ihren Namen von den unterschiedlichen Gesteins- und Sandfarben hat. Der Reiseführer empfiehlt für dort unbedingt einen Aufenthalt. Dann mal los.
Leider keine Abendsonne
Dort angekommen sagt mir der Stand der Sonne, dass das der eigentliche Rastplatz für den vorhergehenden Abend gewesen wäre. Denn das wirklich imposante Farbenspiel sehe ich leider nicht mit der Abendsonne im Rücken, sondern mit der Morgensonne von vorne. Allerdings bemerke ich etwas später, dass man hier auch direkt bei Sonnenaufgang gute Eindrücke bekommen könnte. Allein, es ist schon 10 Uhr 30. Wen es also in die Painted Desert unweit des Evelyn Creek verschlägt, der sollte dort unbedingt rechtzeitig am Nachmittag ankommen, dort auch übernachten und in aller Frühe aufstehen. An so einem Tag, wie ich ihn heute erleben darf, wird er nichts bereuen.
Nach Oodnadatta
Eine Stunde später erreiche ich Oodnadatta. Es gilt als der heißeste und trockenste Ort Australiens. Hier wurde am 2. Januar 1960 die höchste je in Australien gemessene Temperatur erreicht: 50,7°C. Durchaus als heiß kann man auch die Farbgebung des Pink Roadhouse bezeichnen. Es ist fürs europäische Auge durchaus gewöhnungsbedürftig. Amerikaner hingegen haben mit der Farbgestalltung sicherlich keine Mühe. Und der Australier ist tolerant.
The Pink Roadhouse
Das Roadhouse ist alles. Lebensmittellladen, Kneipe, Postamt, Tankstelle, Treffpunkt und wäre sicherlich auch das Bürgermeisteramt, wenn man eines bräuchte für die noch nicht mal 300 Einwohner. Früher war Oodnadatta ein Lagerplatz für Kamelkarawanen. Als die durch eine Zugverbindung ersetzt wurden, gab man dem Zug den Namen „Ghan“, das für den Mittelteil von Af-ghan-istan steht. Sozusagen als Würdigung für die afghanischen Kamelführer, die allerdings gar nicht aus Afghanistan kamen. Der Zug müsste eigentlich „The Indian“ heißen.
Hier fuhr „The Ghan“ – auf der historischen Schmalspur-Route. Die heutige moderne Route der Nord-Süd-Verbindung quer durch den Kontinent zwischen Adelaide und Darwin verläuft etliche Kilometer weiter westlich.
Der Job
Im Roadhaus arbeiten immer wieder Backpacker aus den verschiedenen Ländern. Je nach Aufenthaltsgenehmigung bleiben sie ein paar Wochen oder Monate, so wie Andrea. Sie kommt vom Chiemsee. Nein, langweilig sei es hier nicht, es kämen ja doch eine Menge Leute durch. Aber warum bleibt jemand freiwillig in Oodnadatta, wo es – mit Verlaub – nichts, aber auch gar nichts gibt?
Neben der Spur
Gegen ein Uhr geht’s weiter ’gen Norden. Unterwegs gibt es zur Abwechslung für den Wagen reichlich Marterstrecke. Überall, wo etwas größere Steine liegen, geht es nur noch mit maximal Tempo 20 weiter. Ich werde in dem hart blattgefederten Landcruiser kräftig durchgeschüttelt. Ganze zwei Stunden lang. Für jeden sandigen Untergrund zwischendurch bin ich äußerst dankbar. Und um mich herum nur die unendlich scheinende und menschenleere Weite.
Dalhousi Springs
Die Belohnung kommt mit dem Tagesziel, Dalhousi Springs, im Witjira-Nationalpark. Ein wunderbarer Flecken Oase im Westen der Simpsonwüste. 70 artesische Quellen kommen hier an die Oberfläche. Nur ein Teil des Großen Artesischen Beckens Australiens, dem größten Trinkwasserreservoir der Welt! Das Wasser hier ist mineralhaltig und kommt in Körpertemperatur oder ein paar Grad wärmer an die Oberfläche. Ein riesige Naturbadewanne mit warmem Wasser mitten in der Wüste. Nach diesem heißen und staubigen Tag nicht mehr zu toppen.
Wo Wasser ist, ist Leben
Gegen die Fliegen, die einen hier ununterbrochen piesacken würden, solle es Schwalben geben, habe ich mir unterwegs sagen lassen. Und in der Tat, sie sind da. Schwalben in der Wüste. Sie haben alles, was sie zum Leben brauchen. Immer Wasser und jede Menge Fliegen. Wunderbar. Aber, nicht alle Schwalben dieser Welt würden wohl ausreichen, den Myriaden von Fliegen den Garaus zu machen. Trotzdem – dieses Heer der Plagegeister wird mich nicht vom Baden abhalten. Zumal: Fliegen sind lästig, aber sie stechen nicht. Das übernimmt dafür dann die nächste Schicht. Nach Sonnenuntergang verschwinden die Fliegen und die Moskitos treten ihren Dienst an – sie verrichten ihn verdammt pflichtbewusst.












































