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Ja, so kann man sich Australien vorstellen. Auf dem Weg nach Murray Bridge.

10. Tag / Mittwoch, 4. April

Am Morgen ist es richtig kalt. Vielleicht 5 oder 6 Grad. Eine Stunde lang trinke ich heißen Kaffee. Ich hätte dazwischen lieber mal eine Pause gemacht. Das sind dann möglicherweise doch 5 oder 6 Tassen zuviel. Mir wird schwindelig.

In der Touristinformation gehe ich für eine Stunde ins Netz, Mails checken und dergleichen. Ans vorbereitende Arbeiten, so wie ich es geplant hatte – also so ziemlich alles „einzufangen“, was einer ausgedehnten Reportage dienlich sein könnte – denke ich überhaupt im Moment nicht mehr. Ich habe einfach keine Lust dazu. Da ist mir doch sogar die viele Zeit, die ich habe, zu schade. Bin ja hier, um was zu sehen. Und vor allen Dingen bin ich im Urlaub. Ich sollte also auf mich hören. Abends am Laptop sitzen ist aber ok. Denn aus dem Gedächtnis lässt sich das alles ohnehin nicht mehr so rekapitulieren. Aber abends den Tag Paroli passieren lassen, wie Horst Hrubesch gesagt hätte, das hat was. Wo war ich? Richtig, auf dem Weg nach Murray Bridge.

Die „Straße“ am Strand

Zu weiten Teilen geht es am Meer entlang, aber dazwischen liegt ein rund ein- bis zweihundert Meter breiter Streifen. Somit ist die Straße zwar geschützt, aber der Aussicht tut’s einen Abbruch. Deshalb ergreife ich die Gelegenheit, als es eine Stichstraße zum Strand gibt. Noch besser, es gibt einen offiziellen Beach-Access. Ich fahre, völlig einsam, mit dem 4×4 auf einer öffentlichen „Straße“ am Strand entlang. Dekadent vielleicht, aber klasse.

Und leider auch lehrreich. Der Sand wird zunehmend weicher und irgendwann steckt die Mühle fest. Kein Problem, denke ich, Freilaufnaben sperren, 4×4 rein und weiter. Statt vorwärts geht es aber nach unten. Schwuppdiwupp habe ich mich eingegraben. Wie gesagt, ich war ziemlich einsam unterwegs. Genauer: außer mir war weit und breit niemand zu sehen. Also, Schaufel raus und graben. Noch mal probieren, nichts. Wieder fressen sich die Reifen in den Sand. Noch mal ausgraben, anfahren – und wieder „gebogged“. Jetzt aber richtig Sand geschaufelt, zwei Meter nach vorne, leicht „anschaukeln“, runterschalten und dann Vollgas – geschafft. Die nächste Ausfahrt aber jetzt raus. Denkste.Den Angler schickt der Liebe Gott. Wo es denn hier zu Straße ginge, will ich von ihm wissen. Er zeigt in die Richtung, aus der ich gekommen bin und sagt nur lapidar: „Dahin, etwa 10 Kilometer“. Es gibt also nur einen Ausgang. Es ist der selbe, der Eingang heißt, wenn man reinfährt. „Ist aber ohnehin auch an der Zeit“, schickt mir der Petrijünger noch eher beiläufig hinterher, die Flut käme nämlich gleich, und das Wasser reiche bis zu den Dünen da drüben. Zu genau d e n Dünen, die ein unüberwindbares Hindernis für mich sind. Na, dann lieber mal los. Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo. Dementsprechend zügig und mit ordentlich Drehzahl – denn jetzt steckenbleiben wäre wirklich unvorteilhaft – geht es zurück zum Ausgangspunkt. Zur Rechten kann ich erkennen, dass das Wasser schon deutlich näher an die Strandstraße heranreicht als bei der Hinfahrt. Huhuuuuh.Geschafft. Hmmm, das war möglicherweise ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Nur, dass es im Outback anders aussieht. Hier am Strand kommt ja irgendwann vielleicht mal jemand vorbei. Hier kann man vielleicht sein Auto ans Meer verlieren. Aber das rettende Ufer ist vielleicht 30 Meter entfernt.

Neben dem Strand liegt das Pflaster

Zurück auf den Highway, um eine gute Stunde später einen Loop durch den Coorong Nationalpark zu drehen. Noch so ein kleiner Vorgeschmack auf das, was da kommen mag: Waschbrettpiste, Löcher, Sand, Gestrüpp und weit und breit kein Mensch. Bin mal gespannt.

 

Murray Bridge

Ziel erreicht: Murray Bridge. Habe noch Zeit, mir ein paar Thongs zu kaufen. Flip-Flops. Hübsch hässlich, aber praktisch. Meine (doch, wirklich!) Camel-Stiefel, die schon einige Ecken in der Welt gesehen haben, zeigen Schwächen, die Sohle löst sich. Im Schuhladen in Murray Bridge kann man mir nicht helfen, aber zwei Mal die Woche käme der Schuhmacher vorbei und hole die Ware ab. Manchmal bringe er sie wieder am gleichen Tag, manchmal aber erst eine Woche später. Heute wäre aber das zweite manchmal dran.

Der Campingplatz liegt zwar schön am Fluss, kostet aber 24 A$. Rekord bisher. Ich werde ihn aber nicht weiterempfehlen. Der ist sein Geld nicht wert. Der Meinung ist auch mein Nachbar David. Ich biete ihm ein Gläschen an. Der australische Weißwein aus dem Kühlschrank ist aber auch ein Gedicht. Wir stoßen an und ich proste ihm zu: „Auf Hoss Cartwright!“ Noch so ein verrückter Deutscher, denkt sich wohl David – und erzählt mir von seiner Grenzerfahrung in Deutschland Ost.

David „Hoss Cartwright“

Noch vorm Mauerfall war David mit seiner Frau in Wittenberg. Bei der Ausreise aus der DDR kam es dann an der Grenze zu der unheimlichen Begegnung der Dritten Art. David hat sie, wie er mir versicherte, in guter Erinnerung.

Waschen Impossible

Erster Waschtag. Aber nur fast. Für die Laundry muss man einen Extraschlüssel an der Rezeption holen und die macht um 18 Uhr zu. Alleine dafür sollte man diesen Campingplatz meiden. David meint, dass das der einzige Campingplatz sei, den er kenne, der so einen Nonsens um den Schlüssel veranstaltet. In ganz Australien gäbe es so etwas nicht. Und noch eine kleine Überraschung. Zum ersten Mal seit was-weiß-ich-wie-vielen Jahren esse ich am Abend Corned Beef. In der Tat, man kann drauf verzichten.

Bilder vom Tag

In Beachpoint nochmal kurz ans Meer und dann weiter Richtung Murray Bridge.Die Jüngeren unter uns werden sagen: geil!Der Strand als offizielle Straße. Noch ist die Flut nicht in Sicht. Das wird sich aber ändern.
Das Wasser in sicherer Distanz. Auf der Straße ist es doch beruhigender ...... und trotzdem schön, egal in welche Richtung es geht.Nicht weit vom Meer, aber nichts als trockene Salzwüste. Im Coorong Nationalpark
Berüchtigte Wellblechpiste. Wer hier zu schnell fährt, hebt ab.Viel Steine gab's....An diesem Küstenabschnitt im Coorong Nationalpark geht es etliche Kilometer entlang.
Auch hier ist das Wasser auf dem Rückzug.Diese Gefahr dürfte bis auf Weiteres gebannt sein.Die Straße verläuft keine 100 Meter vom Meer parallel zum Strand. Nicht der schlechteste Weg nach Murray Bridge.
David "Hoss Cartwright"

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