Arbeitskampf im SWR

Veröffentlicht am 17. Juli 2014 | von Martin Kissel

++++ Teil 12 – Offener Brief an den Intendanten des SWR ++++

Sehr geehrter Herr Boudgoust,

dass dieses Schreiben, das ich Ihnen heute zukommen lasse, einmal nötig sein würde, hätte ich mir in meiner nunmehr 22 Jahre dauernden Tätigkeit für den SWR nicht vorstellen können.

Der Anlass ist mehr als bedenklich. Es geht um nicht weniger als die Reputation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieses Ansehen, Herr Intendant, wird durch die von Ihnen verantwortete Vorgehensweise des SWR in meiner arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung massiv beschädigt.

Ein Protagonist dieses äußerst unwürdigen Auftritts des SWR ist der Syndikus im Justitiariat, Peter Wiechmann. Herr Wiechmann hat bisher auch in meinem Verfahren den SWR vor Gericht vertreten, für den Sie, Herr Boudgoust, als Intendant verantwortlich zeichnen.

In meinem Blog auf www.derpodcast.de habe ich bereits umfänglich über das Verhalten des SWR in dieser Auseinandersetzung berichtet. Es ist – angesichts weiterer inakzeptabler Vorgänge – an der Zeit, den massivsten Vorwurf in meinen Blogbeiträgen nicht nur zu wiederholen, sondern ihn ausdrücklich zu erneuern: der juristische Vertreter des SWR, Peter Wiechmann, hat mehrfach vor Gericht und dem Gericht gegenüber gelogen.

Dies hat er entweder mit Ihrem oder ohne Ihr Wissen getan. Ersteres würde bedeuten, er handele ausdrücklich in Ihrem Auftrag. Letzteres, Ihnen wäre die Kontrolle über Ihren Syndikus entglitten. Beide Möglichkeiten entbehrten allerdings nicht größter Brisanz.

An dieser Stelle sei lediglich ein Teil der bewusst falschen Vorträge des SWR-Vertreters vor Gericht und gegenüber dem Gericht genannt. Die vollumfängliche Auflistung findet ihre Veröffentlichung an anderer Stelle.

Zu Beginn des Verfahrens hat Ihr juristischer Vertreter vor Gericht die Verlegung des Rechtsstandes nach Karlsruhe verlangt. Zur Begründung führte er an, ich hätte keinen festen Wohnsitz und würde in einem Wohnmobil leben. Eine Lüge. Dass auch Post vom SWR an mich seit über 20 Jahren an dieselbe Adresse verschickt wird, hat Ihr Jurist geflissentlich unterschlagen.

Im Verlauf des Verfahrens hat Ihr juristischer Vertreter vor Gericht, Peter Wiechmann, – trotz vorliegender gegenteiliger Dokumente (auch des SWR!) – behauptet, ich hätte im Jahre 1999 über 100.000 DM beim WDR verdient, um damit meine wirtschaftliche Abhängigkeit vom SWR in Abrede zu stellen. Eine Lüge. Tatsächlich betrug mein Jahreshonorar beim WDR im Jahre 1999 DM 0,00 (i.W.: Null). Die gleiche Behauptung, ich hätte beim WDR mehr verdient als beim SWR, hat Ihr juristischer Vertreter auch für das Jahr 2012 aufgestellt. Auch das ist gelogen.

Eine einfache Gegenüberstellung der Jahreshonorarbescheinigungen von SWR und WDR, die Bestandteil der Gerichtsakten sind, lassen – sofern man der Grundrechenarten mächtig ist – diesen Schluss nicht zu. Dennoch behauptete Wiechmann im Schriftsatz gegenüber dem Gericht, auch im Jahre 2012 hätte ich beim WDR mehr verdient als im eigenen Hause.

An anderer Stelle wiederum lag Ihrem Syndikus Wiechmann wohl daran, meine Tätigkeit beim SWR zu bagatellisieren, indem er dem Gericht angebliche Einkünfte meinerseits vorlegte, die weit unter den tatsächlichen lagen. Die von Wiechmann genannten Angaben entbehren jeder Grundlage. Und er hatte auch noch die Stirn, als Zeugen für seine falsche Darstellung den Sachbearbeiter aus der Honorar- und Lizenzabteilung, Steffen Schubert, zu benennen. Zunächst sehr zu meiner Freude, denn Herr Schubert kennt die tatsächlichen Zahlen. Allein, er wurde bedauerlicherweise vom Gericht nicht als Zeuge geladen. Die offiziellen Dokumente des SWR hinsichtlich meiner Honorare zeigen indes meine tatsächlichen Einkünfte. Der SWR selbst belegt mit seinen Dokumenten, dass sein juristischer Vertreter gegenüber dem Gericht bewusst die Unwahrheit sagt, vulgo: lügt!

Im Verlauf des Verfahrens hat Ihr juristischer Vertreter vor Gericht, Peter Wiechmann, behauptet, ich hätte gegenüber dem SWR3-Comedy-Chef Andreas Müller erklärt, das Format „Kanzlerin voll direkt“ künftig nicht mehr machen zu wollen. Wiechmann bestand darauf, diese Tatsachenbehauptung ins Gerichtsprotokoll aufnehmen zu lassen, was die vorsitzende Richterin zunächst mit den Worten quittierte, sie sei nicht die Protokollantin des SWR. Sie nahm die Aussage Wiechmanns, wenn auch widerwillig, dennoch ins Protokoll auf, worauf hin ich zu Protokoll gab, dass diese Behauptung unwahr sei.

Fakt ist: unter Zeugen hatte ich Andreas Müller von meinem Arbeitsplatz im Freiburger Studio angerufen und ihn unmissverständlich und mehrfach danach gefragt, ob er Wiechmann gegenüber diese Äußerung gemacht hätte. Müller hatte stets verneint. Das entsprechende Gesprächsprotokoll wurde von den beiden anwesenden Zeugen in Freiburg per Unterschrift bestätigt.

Der Rechtsanwaltskammer Koblenz gegenüber (zwei Rechtsanwälte haben in anderer Sache gegen Wiechmann dort Beschwerde eingelegt) verfälscht Wiechmann nun in einem Schreiben an die Anwaltskammer (in dem er sich in diesem anderen Rechtsstreit auf meine Veröffentlichungen im Internetblog bezieht) den tatsächlichen Hergang erneut. Denn jetzt vertritt er nicht mehr seine ursprüngliche, vor Gericht protokollierte Aussage, sondern ergänzt sie willkürlich mit Zusammenhängen aus völlig unterschiedlichen Situationen von anderer Stelle. (Dieses Vorgehen Wiechmanns hat System, wie mir weitere vorliegende Dokumente beweisen). Zudem trägt er in dem Schreiben erneut bewusst falsch vor. Wörtlich heißt es in seinem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Koblenz:
„Weil Herr Kissel seinen Redaktionsleiter nach der Verhandlung gleich angerufen und mit dem Vorwurf belegt hatte, nach Art eines Spitzels Inhalte des Telefonats an das Justitiariat weiter gegeben zu haben, hatte der Redaktionsleiter Herrn Kissel gegenüber nicht zugeben wollen, die Informationen an mich weiter gegeben zu haben. Das hat Herr Kissel zum Anlass genommen zu behaupten, ich sage vor Gericht bewusst die Unwahrheit.“

Auch das, Herr Intendant, ist eine Lüge. Beide Zeugen des Telefonats, die bereits das Gesprächsprotokoll mit ihrer Unterschrift bestätigt haben, werden an Eides statt bezeugen, dass ich keinesfalls meinen Redaktionsleiter nach der Verhandlung gleich angerufen und mit dem Vorwurf belegt hätte, er (Müller) hätte nach Art eines Spitzels Inhalte des Telefonats an das Justitiariat weiter gegeben. Zu keiner Zeit hatte ich Müller in diesem Telefonat mit Vorwürfen belegt. Diese Aussage in diesem Zusammenhang hat Ihr Vertreter vor Gericht frei erfunden!

Im selben Schreiben an die Rechtsanwaltskammer Koblenz behauptet der SWR-Jurist Wiechmann, ich hätte meinen Kündigungsschutzprozess verloren. Auch das ist – wenig verwunderlich – eine Lüge. Der Prozess ist keineswegs verloren, er dauert noch an. Und er wird – nicht nur nach meiner Einschätzung – vor dem Bundesverfassungsgericht enden. Auch wenn Ihrem Syndikus für den Fortgang des Prozesses die fachlichen Voraussetzungen für die weitere Vertretung des SWR fehlen und an seiner Stelle nun eine Kanzlei aus Baden-Baden übernommen hat.

Im Verlauf des Verfahrens vor dem Freiburger Arbeitsgericht hat Ihr juristischer Vertreter vor Gericht, Peter Wiechmann, behauptet, es bestünde seitens der arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter keine Verpflichtung, den Urlaub zu beantragen. Darauf hin klärte ihn meine Anwältin auf und zitierte wörtlich aus dem Tarifvertrag unter 8.4: „Der Urlaub muss innerhalb des laufenden Kalenderjahres beantragt und nach Möglichkeit zusammenhängend gegeben und genommen werden.“
Sie selbst, Herr Intendant, haben diesen Tarifvertrag unterschrieben. Es kann also von Rechtsgültigkeit ausgegangen werden. Dies hinderte aber Ihren Syndikus nicht daran, diese Tatsache aus dem Tarifvertrag wortwörtlich als „Quatsch“ zu bezeichnen. Demnach, Herr Boudgoust, hält Ihr juristischer Vertreter Ihre Unterschrift, die Unterschrift des Intendanten, unter einem Vertrag nicht für rechtlich bindend.

Auch führt der Mann aus dem Justiziariat des SWR in seinem Schreiben an das Gericht vom 28. Oktober 2013 an: “Über die Klärung der sozialversicherungsrechtlichen Frage hinausgehende Festanstellungsansprüche hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Insbesondere hat er von der Beklagten nicht die Festanstellung oder Anerkennung eines Festanstellungsanspruchs verlangt, also die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses begehrt”.

Auch diese Behauptung ist, Sie werden es womöglich bereits ahnen, falsch. Was Wiechmann dem Gericht vorenthält, ist meine am 25. Januar 2012 – also 21 Monate vorher schriftlich eingereichte Bitte an den Personalchef des SWR, Thomas Schelberg, auf Festanstellung und dessen Antwort vom 16. Februar 2012.

Ob die wiederholten falschen Vorträge des Herrn Wiechmann aus dem SWR-Justitiariat bereits notorischer Natur sind und demnach der Verdacht auf eine pathologische Ursache nahe liegen könnte, mögen Experten auf diesem Gebiet beurteilen. Ich für meinen Teil werde auf eidesstattliche Vernehmungen der jeweils Beteiligten drängen, damit diesem schäbigen Treiben innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Anstalt Einhalt geboten wird.

Sie, Herr Intendant, sind unter anderem mit Schriftsätzen Ihres Syndikus in Ihren eigenen Unterlagen zu konfrontieren, die einer Prüfung auf vollständigen Wahrheitsgehalt nur sehr schwer standhalten dürften.

Die Glaubwürdigkeit des Südwestrundfunks ist ohnehin bereits schwer beschädigt. Nicht nur, dass die Hörer getäuscht werden, auch die Mitarbeiter werden hintergangen. Es war – sofern es sich nicht um eine multiple Persönlichkeit handelt – derselbe Personalchef des SWR, Thomas Schelberg, der mir erst in einem persönlichen Brief die weitere Beschäftigung zusicherte und mir dann – kurz vor Vollendung meines 55. Lebensjahres, um arbeitsrechtliche Ansprüche abzuwehren – die faktische Kündigung schickte. Und dies, nachdem ich als Bundestagskandidat den Antrag auf Gewährung von Wahlvorbereitungsurlaub gestellt, und dem der SWR als mein Arbeitgeber nach Artikel 48 des Grundgesetzes stattzugeben hatte. Allein, er hat mir – als öffentlich-rechtliche Anstalt (!) – dieses verfassungsrechtliche Grundrecht verweigert.

Für langjährige, arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter (12a-Freie) haben auch Sie, Herr Boudgoust, ebenso wie Ihr Vorgänger Peter Voß, nicht nur die Beschäftigung, sondern auch das Einkommen garantiert. Keiner der langjährig beschäftigten Freien müsse sich Sorgen machen. Und wenn Honorare gekürzt würden, dann nicht um mehr als 5% im Jahr und auch nicht auf Dauer, so die Vereinbarung des SWR mit den Gewerkschaften.

Sie aber, Herr Intendant, lassen solcherlei Vereinbarungen unberücksichtigt und stattdessen sogenannte Einschränkungsmitteilungen verschicken, mit dem Zweck, das Honorar bei langjährigen arbeitnehmerähnlichen Mitarbeitern quasi ad libitum kürzen zu können, was in meinem Fall geschehen ist. Und statt Verantwortung für die Nichteinhaltung Ihrer eigenen Zusagen zu übernehmen, nennen Sie meinen Fall einen Einzelfall. Ganz so, als hätten Sie auch keine Kenntnis über die anderen Einzelfälle, wie etwa die des Kollegen Jörg Brillen und seiner Frau Anna Hajek
Es fällt mir schwer zu glauben, dass sich diese Zusammenhänge Ihnen als ehemaligem Justitiar des SWR nicht erschließen sollten.

Dies sind nur drei bekanntgewordene Einzelfälle. Die Fälle der Kolleginnen und Kollegen, die sich unter anderem aus Angst vor Repressionen nicht wehren, nicht wehren können und schon gar nicht veröffentlichen können, gelten demnach für Sie als nicht existent.

Sie, Herr Boudgoust, als Verantwortlicher des SWR, lassen gegen Mitarbeiter vorgehen, die sich auf das Arbeitsrecht und den Tarifvertrag berufen. Und Sie als Intendant zögern nicht, mithilfe sozialfremden Verhaltens im Justitiariat Mitarbeitern – entgegen Ihrer eigenen Zusage – die Existenzgrundlage zu entziehen. Nein, ich muss korrigieren. Sie entziehen nicht, Sie lassen entziehen. Denn Sie selbst scheinen mit diesen ganzen Vorgängen nicht betraut sein zu wollen. Diese Arbeit haben Sie Ihrem Syndikus aufgetragen.
„Ein abgerichteter Kettenhund ohne Beißhemmung, bewusst an der langen Leine seines Herrchens gehalten.“ Dieses Bild will sich einem aufdrängen. Und die Argumente dagegen – dieses Bild als unzulässigen Vergleich anzusehen – wollen nicht mehr werden.

Für mich persönlich ist sehr bedauerlich, dass sich nach über 20 Jahren der Zusammenarbeit gerade SWR3 und der aktuelle Studioleiter in Freiburg zu (um im wortwörtlichen Duktus Ihres Syndikus zu bleiben) bereitwilligen „Erfüllungsgehilfen“ dieser niederträchtigen Aufführung machen.

Herr Boudgoust, ich möchte Sie an dieser Stelle überflüssigerweise an den 31. Juli erinnern. An diesem Tag findet vor dem Landgericht Stuttgart, sofern der Termin nicht noch einmal verschoben wird, die Verhandlung Daimler gegen SWR statt. Es geht um die Berichterstattung im SWR über Leiharbeit. Für dieses Thema, Herr Intendant, hätte man sich nicht unbedingt bei Daimler einschleusen müssen. Man hätte das Thema zunächst aufgrund von Zuständen im eigenen Hause realisieren können. Eine Berichterstattung über „leiharbeiterähnliche Mitarbeiter“ im SWR findet aber nicht statt. Warum eigentlich nicht? Das eigene Haus hat dabei durchaus entsprechende Ansätze zu bieten. Blättern Sie doch einfach einmal in Ihren Strategiepapieren.

Dass dieses Schreiben – neben der Veröffentlichung auf meinem Internetblog – u.a. an alle ARD-Intendantinnen und -Intendanten geht, ist dem Umstand geschuldet, dass der Syndikus im Justitiariat des SWR auch im Namen anderer ARD-Anstalten tätig ist.
Dort sollte man wissen, von wem man beraten wird.

Die Wahrheit, Herr Intendant, ist eine Zumutung, die ertragen werden muss.

 

Mit freundlichem Gruß
Martin Kissel

Tags: , , , , ,




One Response to ++++ Teil 12 – Offener Brief an den Intendanten des SWR ++++

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back to Top ↑