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Teil 27 – Urteil aus dem Leerbuch?

Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart auf unsere Klage hat mein Anwalt bereits in Teil 26 kommentiert. In diesem Zusammenhang halte ich es zum besseren Verständnis für dienlich, dazu die Klagebegründung meines Anwaltes vom 27. November 2020 hier zu verlinken.

Die Begründung verwies auf etliche unumstößliche Fakten. Allein, sie fanden mit keiner einzigen Silbe im Urteil Berücksichtigung.

Auch nicht die von uns zwischenzeitlich eingereichten Dokumente. Etwa mit Schreiben meines Anwaltes vom 15. Januar 2021. Der SWR zementiert darin geradezu die Weisungsgebundenheit der Freien Mitarbeiter. Kein Grund für den öffentlich-rechtlichen Sender, vor Gericht genau das Gegenteil zu behaupten. Und: Auch für den Vizepräsidenten des SG Stuttgart scheint dieser eklatante Widerspruch für sein Urteil keine Rolle zu spielen. Umso erstaunlicher, als er doch ebendort schreibt:

Nicht nachvollziehbar ist der Kammer der Einwand, der Kläger habe sich, um Aufträge zu erhalten, in den Räumlichkeiten des Beigeladenen aufhalten müssen. Dies erscheint der Kammer lebensfremd.

Es sind angesichts der schriftlich dokumentierten Weisungen seitens des SWR an seine freien Mitarbeiter Zweifel angebracht, dass der Richter den Inhalt der Anwaltsschreiben überhaupt zur Kenntnis genommen hat

Am 30. Juni 2021 informiert mein Anwalt das Sozialgericht Stuttgart über eine weitere erstaunliche Entscheidung der Deutsche Rentenversicherung.

Sie hat meine Mitarbeit bei Baden TV – dort war ich zwischen 2019 und 2022 tätig – als Beschäftigungsverhältnis und somit als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Bei völlig identischer Tätigkeit zu der beim SWR!

Und: Entschieden hatte das derselbe Sachbearbeiter. Es war auch derselbe Sachbearbeiter, der bereits im Teil 26 Erwähnung findet – und bei der Betroffenen Frau einen Schaden von € 12.000 verursacht hatte. Diese Summe musste sie ausgeben, um sich gegen die falsche Statusfeststellung der Deutschen Rentenversicherung zu wehren. Letztendlich erfolgreich.

Im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart fand auch dieser grobe Widerspruch keinen Eingang. Wie eine Statusfeststellung durch ein und denselben Sachbearbeiter für ein und dieselbe Person bei völlig identischer Arbeitsplatzbeschreibung komplett gegensätzlich ausfallen kann, hat das Sozialgericht Stuttgart nicht im Geringsten interessiert.

Man nehme die Statusfeststellung für den SWR, lege die für Baden TV daneben und vergleiche die wesentlichen Tätigkeitsmerkmale, die der Sachbearbeiter für die Statusfeststellung zugrunde gelegt hat.

Übrigens hat auch hier die Deutsche Rentenversicherung mit hanebüchenen Begründungen die Statusfeststellung hinausgezögert. Details dazu lohnen, noch später Erwähnung zu finden.

Und zu guter Letzt der Hinweis meines Anwaltes mit Schreiben vom 31. März 2022 an das Sozialgericht Stuttgart, dass der SWR die sogenannten 12a-Freien (langjährige freie Mitarbeiter) als Beschäftigte im Sinne des Sozialversicherungsrechts behandelt und entsprechend Sozialabgaben abführt. (Für mich hat der SWR keinen Cent an Sozialabgaben geleistet.)

Beigelegt war beispielhaft eine Monatsabrechnung eines freien Mitarbeiters, aus der alle abgeführten Sozialabgaben – inklusive Arbeitslosenversicherung! – hervorgingen. Genau so wie bei den Festangestellten.

Doch der SWR musste etwa eine Nachfrage des Richters keinesfalls fürchten. Das ist umso bemerkenswerter, als im Urteil in einwandfreiem Juristendeutsch unter anderem zu lesen ist

Ausgangspunkt der Prüfung (Anm.: Beschäftigungsverhältnis oder nicht) ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.

Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor.

In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, a.a.O.).

Die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse spielen laut Richter Birn also die entscheidende Rolle. Hätte er sie doch nur zur Kenntnis genommen. Der SWR hatte sie schließlich mehr als deutlich beschrieben und seinen freien Mitarbeitern gegenüber unmissverständlich formuliert.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Alexander

    es ist einfach alles unglaublich …. Kafka lässt grüßen

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