Noch bevor ich 2011 bei der Deutschen Rentenversicherung die Statusfeststellung beantragte, stöberte ich ausgiebig im Netz zu ähnlichen Fällen wie dem meinen.
Wer verlangte nach vielen Jahren als arbeitnehmerähnlicher Mitarbeiter in wirtschaftlich abhängiger Position im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Festanstellung und mit welchem Ergebnis?
Es grüßte das Murmeltier. Die Erfolgsaussichten in Sachen Festanstellungswunsch endeten mit aller Regelmäßigkeit mit einem Ablehnungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung bei Anfragen zur Statusfeststellung.
In der Praxis hieß das, dass alle langjährigen arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter in einem Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (als alleinigem Arbeitgeber) von der Deutschen Rentenversicherung stets als Selbständige eingestuft wurden.
Offensichtlich hat das aber nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu gelten.
Denn umso überraschter war ich, als ich bei meinen Recherchen, eben 2011, zum ersten Mal auf einen Artikel in brandeins (www.brandeins.de) stieß.
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2010/irrationalitaet/herr-oder-knecht
Dort wurde über Selbständige berichtet, die aufgrund mehrerer Auftraggeber nicht von einem einzelnen wirtschaftlich abhängig waren, nicht als arbeitnehmerähnlich galten und – was nicht weiter verwunderlich ist – auch aufgrund ihrer Tätigkeit absolut als Selbständige arbeiten wollten.
Ihnen aber verwehrte die Deutsche Rentenversicherung den Status der Selbständigkeit. Wie man im Beitrag erfährt, mit hanebüchenen Begründungen.
brandeins berichtete also über Selbständige, die von der Deutschen Rentenversicherung in die Sozialversicherungspflicht gezwungen wurden, während mir als Arbeitnehmerähnlichem – wirtschaftlich abhängig von einem Arbeitgeber, dem SWR – die Anerkennung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung verwehrt wurde und ich als Selbständiger zu gelten hätte.
Beide Fälle müssten von der Logik her genau andersherum bewertet werden.
Somit kamen die Selbständigen aus brandeins ebenso wie ich in den Genuss der Willkür einer Behörde, der offensichtlich der Blick auf die tatsächlichen Gegebenheiten verstellt war oder verstellt zu bleiben hatte – par ordre du mufti.
Dass wohl eher Letzteres Gültigkeit hat, zeigen meine bereits geschilderten Erfahrungen mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Und eine weitere Nachricht einer DRV-Geschädigten zu meinen Veröffentlichungen.
Die Frau war projektbezogen selbständig für einen großen Konzern tätig, wurde von der DRV aber nach einer Statusfeststellung als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Daraufhin hat ihr Auftraggeber die Zusammenarbeit mit ihr beendet.
Mir liegt der komplette Fragekatalog der DRV mit den dazugehörigen Antworten der Betroffenen vor.
Wie die DRV zur Entscheidung kommt, dass es sich hier um Scheinselbständigkeit handelt, bleibt ihr Geheimnis.
Für Betroffene lohnt es durchaus, festzuhalten, mit welcher (zuweilen mühsam zu lesenden) Begründung (Auszug) die DRV in diesem Fall den Status der Selbständigkeit aberkennt.
„… Dass gegebenenfalls zur Ausübung der Tätigkeit eigene Arbeitsmittel (zum Beispiel Laptop- Computer und ähnliches) eingesetzt wurden, schließt das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus. Der wirtschaftliche Aufwand für den Erwerb derartiger Arbeitsmittel ist nicht so hoch, dass damit ein mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko verbundener Aufwand begründet werden kann. Zumal derartige Geräte in nahezu jedem Haushalt zu finden sind. Ferner wurden die Arbeitsgeräte nicht ausschließlich für das beurteilte Vertragsverhältnis angeschafft.
Die vereinbarte Leistung ist derart unbestimmt, dass sie erst durch Weisungen des Auftraggebers konkretisiert wird. Anzahl, Dauer und zeitlicher Lage der Leistungen standen bei Vertragsabschluss noch nicht fest. So unterstanden Sie der ständigen Kontrolle durch die Projektleitung. Arbeitsentwürfe und erstellte Dokumente wurden durch die Projektleitung kontrolliert und genehmigt.
Sie konnten zwar frei entscheiden, ob Sie den Auftrag annehmen oder ablehnen wollen, bei Annahme erfolgte jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Der zeitliche Rahmen der Tätigkeit war derart hinreichend eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren ist. Es ist nämlich kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit, wenn zwar die Annahme bestimmter Aufträge abgelehnt werden kann, bei Annahme jedoch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolgt. Sie entschieden lediglich, „ob“ es zu einem Vertragsabschluss kommt. Im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens wird hingegen erst eine Tätigkeit beurteilt, „wenn“ ein Vertrag zustande gekommen ist. Mithin ist die Möglichkeit der Ablehnung eines Auftrags für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung irrelevant. Eine Ablehnung von angebotenen Aufträgen ist im gleichen Maße möglich, wie ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz abzulehnen. Bei Annahme eines Angebotes/Arbeitsplatzes besteht hier eine abhängige Beschäftigung.
Im Übrigen ist auch nicht entscheidend, ob der Auftraggeber die Rechtsmacht gebraucht, um Einfluss auf die Tätigkeit zu nehmen und vom Weisungsrecht Gebrauch zu machen. Es genügt bereits deren Existenz zum Entstehen einer abhängigen Beschäftigung, denn zur Beurteilung ist nur in dem Umfang auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, die sich im Rahmen des rechtlich Zugelassenen bewegen.
Eigenverantwortung bezüglich der übertragenden Aufgabe wird vom Arbeitgeber bei jedem Beschäftigten erwartet oder gar vorausgesetzt. lhre Arbeitsleistung war funktionsgerecht dienend in die Betriebsabläufe der xxxx GmbH integriert.
Ein wesentlicher Gestaltungsspielraum bezüglich der zu erbringenden Dienstleistung war im zu beurteilenden Sachverhalt nicht gegeben. Dieser reduzierte sich auf die Annahme eines Vertrages, der die Erbringung einer überwiegend fremdbestimmten Dienstleistung beinhaltet.
Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Zahlung einer Vergütung im Urlaubs- oder Krankheitsfall nicht erfolgt. Die Selbständigkeit eines Dienstverpflichteten wird nicht dadurch begründet, dass er durch den Verzicht auf Leistungen solche Verpflichtungen, Belastungen und Risiken übernimmt, die über die Pflichten eines Arbeitnehmers hinausgehen.
Es sichert auch nicht den Status der selbständigen Tätigkeit, wenn die Vergütung der geleisteten Arbeiten auf Grund der Rechnungsstellung mit der Ausweisung der Mehrwertsteuer erfolgt. Dies ist lediglich eine Folge der rechtsfehlerhaften eigenen Einstufung als selbständige Tätigkeit.
Nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen überwiegen die Merkmale, die ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis belegen.
Ihr Widerspruch konnte daher keinen Erfolg haben.
Deutlicher lässt sich die Willkür der Deutschen Rentenversicherung kaum dokumentieren.
Das Fazit ist bitter: Die Deutsche Rentenversicherung zwingt Selbständige in die Sozialversicherungspflicht. Dabei nimmt sie billigend in Kauf, dass die Betroffenen dadurch ihre Auftraggeber und somit ihr Einkommen oder gar Existenz verlieren. Denn viele Auftraggeber sind auf Selbständige angewiesen – und diese Selbständigen ebenso auf ihre Auftraggeber.
Als besonders bemerkenswert erachte ich, dass die Betroffene aus obigem Fall und ich bei der Deutschen Rentenversicherung denselben Sachbearbeiter haben!
(Cliffhanger: Es kommt noch besser. Dazu in einem späteren Blogeintrag mehr.)
Obige Gründe für ein Beschäftigungsverhältnis noch im Hinterkopf, kommt folgende Begründung desselben Sachbearbeiters der DRV zum Tragen, mit der er meine Arbeit beim Südwestrundfunk als selbständige Tätigkeit festlegt.
(Die rot markierten Behauptungen sind nachweislich falsch.
Die ocker markierten sind nur teilweise richtig, da senderintern unterschieden wird.
Die DRV vermengt also das Differnzierte und stellt somit die jeweilige Sachlage falsch dar.)
Merkmale für eine selbständige Tätigkeit:
- Sie unterliegen grundsätzlich nicht dem Weisungsrecht des Südwestrundfunks hinsichtlich des Ortes der Tätigkeit.
- Dieser kann nicht innerhalb eines zeitlichen Rahmens über lhre Arbeitsleistung verfügen.
- Es besteht keine ständige Dienstbereitschaft.
- Hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit werden keine Weisungen erteilt.
- ln der Tätigkeit überwiegt die gestalterische Freiheit und wird vorwiegend durch den schöpferischen Eigenanteil bestimmt.
- Unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsaufwand wird lhnen als Honorar eine Tagespauschale gezahlt.
- Der Abschluss einer Ausschließlichkeitsbindung ist nicht ersichtlich. (Anm.: Im Urteil des Landesarbeitsgerichtes wird ausdrücklich auf meine wirtschaftliche Abhängigkeit vom SWR hingewiesen).
- Die Ablehnung von Aufträgen ist möglich. (Anm.: Ja, wenn man seinen Job verlieren will).
Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis:
- Die Leistung erbringen Sie persönlich. (Anm.: Wer sonst?)
- Sie nehmen an Besprechungen teil.
Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwiegen die Merkmale für eine selbständige Tätigkeit.
Was steckt dahinter, dass die Deutsche Rentenversicherung Selbständige in die Sozialversicherungspflicht zwingt und abhängig Beschäftigen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk genau dies verwehrt?
Auf diese Frage will ich eine Antwort. Und nicht nur ich.
Offensichtlich ist aber außer brandeins keinem weiteren Medium die Berichterstattung über dieses wichtige – für viele existentielle – Thema eine aufklärerische Berichterstattung wert.
Hier die weiteren lesenswerten Links zu brandeins:
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2019/gehalt/scheinselbststaendigkeit
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2017/neue-arbeit/die-ungeliebten