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Verschlusssache Transparenz

Am 5. Dezember ist es wieder so weit. Das ZDF sorgt mit der alljährlichen Gala „Ein Herz für Kinder“ für den quotenträchtigen Rahmen einer Spendenwerbeveranstaltung. Eigentlich verlangt das ZDF bei Spendenaufrufen von all seinen Partnern ein Spendensiegel. Das des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), salopp ausgedrückt: die Bescheinigung vom Spenden-TÜV. Eigentlich.

Nicht so vom gemeinnützigen Verein „Bild hilft – Ein Herz für Kinder e.V.“ Das liegt daran, dass sich der Verein schlichtweg weigert, mit dem Erhalt des Siegels auch die Verpflichtung einzugehen, die Verwendung der Spendengelder transparent offenzulegen. Und damit das auch so bleibt, verzichtet der Spendensammler „Ein Herz für Kinder“ auch künftig auf das Spendensiegel des DZI. Diese Weigerung schützt ihn vor allzu viel Transparenz. Für das öffentlich-rechtliche ZDF kein Problem. Unverdrossen wirbt „Ein Herz für Kinder“ unterdessen weiter: “Jeder Cent Ihrer Spende kommt ohne Abzüge Kindern zugute.”

„In Ausnahmefällen kann einmal davon abgewichen werden. Ein Herz für Kinder ist eine solche Ausnahme aufgrund der sehr langen Zusammenarbeit“, sagte schon in der Vergangenheit beim ZDF der ‚CvD Unternehmenskommunikation’ (ehemals: Pressesprecher) Dr. Peter Gruhne und erklärt gleich mit, was diese Ausnahme noch ausmacht. „Dass der Axel-Springer-Verlag dahinter steht, dass viele Prominente dahinter stehen, und dass unserer Erfahrung zufolge die Organisation, das heißt, der Verein ‚Bild hilft’ das Vertrauen verdient.“

Den alten Lenin will das ZDF aber nicht bemühen, nach dem Vertrauen gut, Kontrolle aber besser sei. So genau will man es vielleicht auch gar nicht wissen. Dabei gäbe es Fragen genug.

Etwa, warum den Spendeneinnahmen aus den Jahren 2007 bis 2010 in Höhe von 58.6 Millionen Euro im gleichen Zeitraum lediglich Ausgaben in Höhe von 53, 8 Millionen Euro gegenüberstehen.
Ein Differenzbetrag von 4,8 Millionen Euro. Wo ist das Geld geblieben?

Oder warum 2012 Verwaltungskosten in Höhe von über 650.000 Euro zu begleichen sind. Kosten, die es laut „Ein Herz für Kinder“ gar nicht gibt. Denn dort heißt es ja: „Jeder Cent Ihrer Spende kommt ohne Abzüge Kindern zugute.“

Zudem stellt sich etwa die Frage, woher im Jahresbericht 2012 fast 300.000 Euro an Zinsen kommen. Zinsen auf Spendengelder, die nicht ausbezahlt, sondern am Geldmarkt angelegt wurden? Wenn ja, wie oft, seit wann und in welcher Höhe? So viele Fragen.

Antworten darauf gibt es von „Bild hilft – Ein Herz für Kinder“ nicht. Stattdessen schon 2010 eine Erklärung in der Bildzeitung, warum man auf das Spendensiegel des DZI „bewusst“ verzichte.
„Ein ‚Herz für Kinder’ hat das „Spenden-Siegel“ nie beantragt. Mit dem eingesparten Geld (10. 000 Euro jährlich) hilft die BILD-Aktion lieber denjenigen, die es dringender brauchen als das halbstaatliche DZI.“

3.000 Euro scheinen „Ein Herz für Kinder“ indes angemessen – wenn auch nicht für ein Siegel und schon gar nicht, um sich in die Bücher schauen zu lassen. Seit 15. Juli 2015 ist „Bild hilft – Ein Herz für Kinder e.V.“ vorläufiges Mitglied im Deutschen Spendenrat e.V.. Dieser definiert sich nach eigenen Angaben u.a. so: „Wir sind ein Dachverband Spenden sammelnder gemeinnütziger Organisationen und sehen es auch als unsere Aufgabe an, gemeinnützige Organisationen auf Ihrem Weg zu mehr Transparenz zu unterstützen.“
Diese Unterstützung zu mehr Transparenz beruht allerdings auf nicht mehr als einer freiwilligen Selbstkontrolle. Wie sich „Ein Herz für Kinder“ in der Vergangenheit selbst kontrolliert hat, darüber habe ich bereits in den Jahren 2006 und 2009 berichtet. (Siehe auch https://derpodcast.de/wp/?p=288

Nach dem verheerenden Tsunami im Dezember 2004 hat „Bild hilft – ein Herz für Kinder“ ohne jegliche vorherige Prüfung einem Spendenbetrüger 2 Millionen Euro überwiesen. Die Recherche über diesen besonderen Fall der Spendenverwendung geriet äußerst schwierig, weil „Ein Herz für Kinder“ nicht das geringste Interesse an einer Aufklärung zeigte. Der Vorfall wurde zunächst geleugnet, nach den Veröffentlichungen meiner Recherchen versuchte “Ein Herz für Kinder” dann, den Vorgang herunterzuspielen. Lediglich eine Summe von ungefähr 850.000 Euro konnte zurückgeholt werden.

Letztendlich wurde deutlich: „Ein Herz für Kinder“ hatte mit 1,15 Millionen Euro aus Spendengeldern für Tsunamiopfer einem Hamburger Sozialhilfeempfänger sein Leben in Indonesien und auf Bali versüßt.

Aber nicht nur der Hamburger Betrüger bediente sich in Sachen Spendengenerierung der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Dies zeigt weiterer Vorfall aus dem Dezember 2004.

In der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember brannte in Weinstadt/Endersbach der Dachstuhl des Hauses einer 14-köpfigen Familie. Für den Boulevard genau das richtige, die Bildzeitung ließ unter anderem ihre Leser wissen: „Zitternd stehen die Geschwister auf der Straße. Alles was sie noch besitzen, sind die Kleider, die sie an haben. Verzweifelt blickt die Mutter auf ihre vielen Kinder, grübelt: „Was soll nur werden? Jetzt, wo unser Haus abgebrannt ist…“
Das Unglück, so kurz vor Weihnachten: Es ist 22.20 Uhr. Die meisten Kinder schlafen schon. Plötzlich zieht beißender Rauch durchs Haus. Der Dachstuhl brennt… Alle gerettet. Gott sei dank! Feuerwehr löscht, kann kaum etwas retten. Die ganze Wohnung verkohlt, verrußt, vom Wasser zerstört. Noch kennt die Polizei die Brandursache nicht. Familie Herz hat nun alles verloren.“
Allein, das Ganze war eine ziemlich dreiste Lügengeschichte.

Die „Weinstadt-Woche“, der örtliche Anzeiger, veröffentlichte am 2. Dezember im Feuerwehrbericht in aller Kürze: „Mit wenigen Sprühstößen aus einem Hohlstahlrohr kann der Brand ohne Wasserschaden bekämpft und so ein Übergreifen des Feuers auf das Dachgeschoss verhindert werden.“
Familie Herz ist übrigens nach Abschluss der Branduntersuchungen zwei Tage nach dem Brand wieder in ihr Haus eingezogen.

Mit der wahren Darstellung ließ sich allerdings – wenn auch vor Weihnachten – damals kein Spenderherz erweichen. Deshalb pushte die Bildzeitung die Geschichte zum „Feuer-Drama der Familie Herz“ und macht daraus ein Fall für „Bild hilft“. Die Leser wurden zu Spenden aufgefordert, „Ein Herz für Kinder“ hätte dafür ein Spendenkonto eingerichtet. Dass es sich bei diesem Konto nicht um ein eigens angelegtes, sondern um das von „Ein Herz für Kinder“ handelte, erfuhren die Leser nicht. Und somit auch nicht im Nachhinein, wie viel Geld für die Familie Herz tatsächlich gespendet wurde.

Auch Familie Herz hätte es gerne gewusst. Frau Herz zeigte mir das Schreiben von „Bild hilft – Ein Herz für Kinder”. Sie musste sie sich mit 5.000 Euro zufrieden geben. Es sei sogar wesentlich weniger gespendet worden, „Ein Herz für Kinder“ habe den Betrag aber großzügig aufgerundet, hatte man ihr mitgeteilt.
Mutter Olga Herz wundert sich noch heute. Schenkt sie den Informationen aus Ihrem näheren Umfeld Glauben, dann wurde damals sehr viel mehr für die Familie gespendet. Das pikante dabei, der Spendenaufruf in der Bildzeitung war mit dem Stichwort „Familie Herz“ versehen. Demnach waren diese Spenden zweckgebunden und wären in vollem Umfang an die geschädigte Familie auszuzahlen gewesen. Eine Nichtauszahlung der gesamten Spenden für Familie Herz erfüllte somit den Straftatbestand der Unterschlagung. Aufklärung hätte ein Einblick in die Bankunterlagen für den Zeitraum zwischen Brand und der Auszahlung der 5.000 Euro gebracht. Der Einblick wurde nicht gewährt.

Auf der Homepage von “Ein Herz für Kinder” wurde Familie Herz übrigens noch bis ins Jahr 2012 als aktuelles Beispiel aufgeführt, wie einer Familie, die alles verloren hatte, dank reichlicher Spenden wieder zu einem Haus verholfen werden konnte.

Wer überprüft nun eigentlich „Ein Herz für Kinder“? Der Verein selbst hat das so zusammengefasst: „’Ein Herz für Kinder’ lässt sich sehr genau überprüfen. Sämtliche Ausgaben werden in einem Jahresbericht zusammengefasst. Dieser wird von der renommierten, unabhängigen und zertifizierten Hamburger Sozietät Stiehler-Vietzen-Nolte-Burgmann aufwendig und im Detail geprüft. Dieser Bericht wird anschließend außerdem vom Finanzamt Hamburg-Nord (Steuernummer 17/400/03832) kontrolliert, welches dem Verein daraufhin die Gemeinnützigkeit bescheinigt.“

Eine Nachfrage beim Finanzamt Hamburg Nord in der Vergangenheit hatte bei mir indes zu folgenden Notizen geführt:
Geprüft wird nicht der Bericht, sondern geprüft könne lediglich die Gemeinnützigkeit werden. Aufgrund der personellen Situation allerdings höchstens alle 2-3 Jahre, wenn überhaupt.

Ich: Ob denn überhaupt schon einmal bei „Ein Herz für Kinder“ die Gemeinnützigkeit geprüft worden sei?

Finanzamt: Keine Auskunft, das unterliegt dem Steuergeheimnis. Allerdings sei zu sagen, dass das Finanzamt nicht von einer drohenden Aberkennung der Gemeinnützigkeit ausgehe, wenn die Spendenbescheinigungen akzeptiert seien.

Ich: Akzeptiert von wem?

Finanzamt: Vom Finanzamt.

Ich: Demnach müsse das Finanzamt die von ihm selbst anerkannten Spendenbescheinigungen infrage stellen, um einen Grund für die Überprüfung der Gemeinnützigkeit von „Ein Herz für Kinder“ zu haben, sozusagen, sich selbst infrage stellen?

Finanzamt: Ja.

Ich: Ist so etwas denn schon einmal vorgekommen?

Finanzamt: Keine Auskunft, das unterliegt dem Steuergeheimnis.

Der Deutsche Spendenrat, bei dem „Bild hilft – Ein Herz für Kinder“ erst seit Juli dieses Jahres vorläufiges Mitglied ist, käme hier vielleicht weiter, sofern er Anlass sähe. Denn das neue, vorläufige Mitglied „Bild hilft e.V.“ hat wörtlich erklärt: „Wir haben unsere zuständige Finanzbehörde für den gemeinnützigen Bereich gegenüber dem Deutschen Spendenrat e.V. von der Verschwiegenheitspflicht befreit (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).“

Fragen zur detaillierten Spendenverwendung wurden und werden weiterhin nicht transparent beantwortet. Schließlich habe man auch bei „Bild hilft – Ein Herz für Kinder“ das hohe Gut des Datenschutzes zu respektieren. Schriftlich heißt es:
„’Ein Herz für Kinder’ legt besonderen Wert auf den vertraulichen Umgang mit diesen persönlichen Daten. Hinter jedem Projekt stehen echte Personen, Familien und ihre Kinder. Bei einer Veröffentlichung verletzten wir nicht nur den Datenschutz, sondern auch das Vertrauen, das die unterstützten Personen und Unternehmen in uns setzen.“

Mangelnde Transparenz oder gar Unregelmäßigkeiten bei „Ein Herz für Kinder“? Das Vertrauen des ZDF in diese Art der Spendengewinnung ist ungebrochen, Handlungsbedarf sah man bisher dort nicht. „Das anzunehmen haben wir im Augenblick keinen Anlass“, war sich ZDF-Sprecher Gruhne schon früher sicher und fasst zusammen: „Also, ‚Ein Herz für Kinder’ hat eine sehr hohe Reputation bei den Zuschauern, die Sendung hat gute Einschaltquoten und vor allen Dingen – was viel wichtiger ist natürlich – sie erzielt regelmäßig sehr, sehr hohe Spendensummen, Spendenzusagen. Das ist ganz entscheidend und das muss man natürlich auch im Blick haben, weil diese Reputation darf man nicht beschädigen.“

Reputation ohne Transparenz? Für das ZDF auch weiterhin kein Anlass zum Handeln. Am 5. Dezember darf demnach wieder mit uneingeschränkter Hilfe des ZDF für „Ein Herz für Kinder“ gespendet werden – wie schon all die Jahre zuvor -, ohne die Veranstaltung dem Verdacht der Intransparenz ausgesetzt zu wissen.

Lediglich ein Mal, im Jahre 2012, hat das Wirtschaftsmagazin Capital in seiner November-Ausgabe einen sogenannten Spenden-Kompass als Transparenzbarometer veröffentlicht. Von den 50 größten Spendenorganisationen stand dort “Ein Herz für Kinder” mit Platz 49 an vorletzter Stelle, nur knapp vor “Stiftung RTL – Wir helfen Kindern e.V.”

Anmerkung:
Wer sich selbst ein Bild über die Darstellung der Spendenverwendung von „Ein Herz für Kinder“ machen will: www.ein-herz-fuer-kinder.de aufrufen, oben links das Menü aufklappen, auf Spenden klicken, weiter auf Spendenverwendung.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Pongy Remuda

    Viel zu viel Text. Es fehlt eine Zusammenfassung, zum Beispiel eine bildliche.

  2. Das Brot

    Das Thema habe ich vor Jahren schon mal im Bekanntenkreis diskutiert. Ich traue der BILD zu, dass Sie Spendengelder zweckfremd veruntreut. Dieser Springer Konzern glaubt sowieso über jedes Gesetz zu stehen. Alleine in welchen Kreisen sich deren Chefredakteure bewegen (Rocker, korrupte Fußballer usw.). Die BILD Zeitung und ihre Macher sind wie ein Mafiaclan. Alle anderen ihre Fehler aufzeigen und Existenzen vernichten aber selber korrupt, bestechlich und verlogen. Jeder der da spendet oder die BILD kauft ist Teil dieser Machenschaften. So wieder genug aufgeregt über dieses Schundblatt. 🙂

    1. Martin Kissel

      Sorry III,

      siehe erste Kommentarantwort.

      Martin

    1. Martin Kissel

      Sorry,

      mein Fehler. Ist korrigiert.

      Thänk,
      Martin

    2. Martin Kissel

      Sorry II,

      siehe erste Kommentarantwort.

      Martin

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