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Hauptsponsor Mercedes-Benz unfreiwillig im Fokus. Foto: Martin Kissel

Unter keinem guten Stern

Hauptsponsor Mercedes-Benz macht Schlagzeilen – verzichtbare.

Dem imagebedachten Autokonzern können diese Nachrichten nicht gelegen kommen, die an einem einzigen Tag die Öffentlichkeit erreicht haben. Der Bundestrainer verliert auf einer Dienstfahrt im Firmenwagen seinen Führerschein und DTM-Fahrer Pascal Wehrlein erfasst mit seinem “Dienstwagen”, einem Boliden mit 360 PS, bei einer Sponsorenveranstaltung im Trainingslager zwei Menschen und verletzt einen davon schwer. Niemand kann oder will im Moment sagen, wie Touristen auf die abgesperrte Strecke gekommen sind. Sie hätten sich durchs Dickicht zur abgesperrten Strecke geschlagen, hieß es von irgendwo her.

Bei der Pressekonferenz gestern scherzte Oliver Bierhoff noch über einen künftigen “tempolimitierten” Dienstwagen für den flotten Jogi, den man beim Hauptsponsor Mercedes-Benz für den Cheftrainer ordern wolle. Mit auf dem Podium der Pressekonferenz im Trainingslager der Fußball-Nationalmannschaft saß an diesem Mittag neben Formel-1-Pilot Nico Rosberg und Golfprofi Martin Kaymer auch Pascal Wehrlein, DTM-Rennfahrer. Der Prominentenbesuch aus anderen Sportarten sollte für Abwechslung nach dem Trainingsbetrieb sorgen. Geplant war, mit jeweils einem Nationalspieler im Wagen einige Runden in unmittelbarer Nähe zu drehen. Eine “Produktfahrtvorstellung”, wie Mercedes-Sprecherin Claudia Merzbach zu verstehen gab, kein Werbedreh, wie einige Medien berichteten.

Tatsache ist, dass diese Produktvorstellung ordentlich in die Hosen ging. Der 63-jährige Tourist aus Thüringen liegt in der Bozener Klinik. Mutmaßliche und nicht offiziell bestätigte Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma. Lebensgefahr soll aber nicht mehr bestehen.

Während sich Hauptsponsor Mercedes-Benz und der DFB offensive Informationspolitik gegenüber den Behörden attestieren, halten sich die Polizeibehörden komplett zurück. Solange die Staatsanwaltschaft ermittele, könne man keine Auskunft erteilen, sagte der Bozener Polizeipräsident Johann Ramoser auf der Informationsveranstaltung “Pressekonferenz”, wo sich die Journalisten nichts anderes erhofften als Auskunft. Da wird sogar die Frage, ob im abgesperrten Streckenbereich die Straßenverkehrsordnung gegolten habe, den Ermittlungen zugeschlagen – und somit nicht beantwortet.

Warum Mercedes-Benz überhaupt auf die Idee gekommen ist, auf den zum Teil mehr als engen Straßen des Passeiertales zwei Rennfahrer mit Fußball-Nationalspielern (zunächst Julian Draxler und Benedikt Höwedes) als Co-Piloten mit 360- bzw. 457-PS-starken Sportwagen auf die Strecke zu schicken, bleibt wohl das Geheimnis seiner gutbezahlten Marketingabteilung. Nichtprofiteuren der Finanzsymbiose mit dem schwäbischen Autokonzern bleibt der Sinn allerdings weitgehend verborgen.

Warum diese Vorstellung aber unbedingt Teil der ohnehin nicht einfachen Vorbereitung der Nationalmannschaft auf die WM in Brasilien sein muss, diese Frage wollen die Beteiligten angesichts des Unfalls nicht nachvollziehbar beantworten. Antworten wie: das habe man doch auch schon 2012 im Trainingslager gemacht, die Mannschaft wäre doch auch dankbar um etwas Ablenkung oder schlicht und ergreifend Spaß, überdecken die wohl einzig relevante – Geschäft ist Geschäft, die Investitionen sollen sich lohnen. Das wäre eine nachvollziehbare und vor allen Dingen ehrliche Antwort gewesen.

Darauf hätte man während der Pressekonferenz am heutigen Tag aber kommen können, wenn man Oliver Bierhoff genau zugehört hat. Er sprach davon, dass neben Draxler und Höwedes vier weitere Spieler zu dieser Imageveranstaltung zur Verfügung stehen mussten. Erst später – an anderer Stelle – hatte Bierhoff erklärt, zur Teilnahme an der vergurkten “Motorsportveranstaltung” sei kein Spieler verpflichtet worden. Das mag sein. Aber der DFB muss seinen Kooperationsverpflichtungen nachkommen. Weshalb man für solcherlei eher Freiwillige sucht – und offensichtlich auch findet.

Die Werbung des Hauptsponsors im Trainingslager ist allgegenwärtig. Der gesamte Fuhrpark kommt aus Untertürkheim. Nur im Moment wollen die Nachrichten nicht so richtig zum Image “Des Sterns” passen, zumindest zu dem, das sich der Konzern gerne geben will.

Unglücksfahrer Pascal Wehrlein. Foto: Martin Kissel

Aber nicht zuletzt soll auch darauf hingewiesen werden: der erst 19-jährige Unglücksfahrer Pascal Wehrlein stellt sich seiner persönlichen Verantwortung, suchte und fand einen “sehr emotionalen Kontakt” zur Ehefrau des schwererletzten Opfers, wie Oliver Bierhoff ausführte. Und das Hoffen auf seine vollständige Genesung darf man allen Beteiligten als aufrichtigen Herzenswunsch abnehmen.

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