Am 18. Dezember 2013 fällt nach der Verhandlung das Freiburger Arbeitsgericht sein Urteil. Es fällt – nach den mir bisher bekannten verhandelten Fällen – erwartungsgemäß gegen mich aus. Zwei Sichtweisen des Gerichts waren dabei von besonderer Bedeutung: der Blick zum Verfassungsgerichtsurteil vom 13. Januar 1982 und die Definition der Begrifflichkeiten von Weisungsgebundenheit und Programmgestaltung.
Folgt man der – an bestehenden Urteilen festgemachten – Betrachtungsweise des Freiburger Arbeitsgerichts, dann muss man feststellen, dass die Argumentation des Gerichts durchaus schlüssig ist. Sie ist es aber nur deshalb, weil sie sich auf bestehende Urteile festlegt, sie aber nicht hinterfragt.
Ähnliche Klagen anderer arbeitnehmerähnlicher Mitarbeiter aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden bisher hauptsächlich aus zwei Gründen abgewiesen: obwohl sie u.a. völlig identische Arbeiten wie die Festangestellten verrichten, seien die langjährigen freien Mitarbeiter – im Gegegensatz zu den festangestellten – nicht weisungsgebunden und zudem programmgestaltend.
Die vorsitzende Richterin lässt zu Beginn der Verhandlung wissen, dass sie – nach bestehender Definition – in meinem Falle aus folgendem Grund keine Weisungsgebundenheit sieht. Um weisungsgebunden zu sein, müsste zum Beispiel ein festangestellter Redakteur mir genau diktieren, welchen Text ich für meine Beiträge einzusetzen hätte. Da ich aber selbst über den Beitragstext entscheide, könne ich nicht weisungsgebunden sein.
Ich weise darauf hin, dass nach dieser Definition in der gesamten Arbeitswelt der freien Mitarbeiter eine Weisungsgebundenheit völlig ausgeschlossen sei. Denn die freien Mitarbeiter werden – vermutlich auch beim Südwestrundfunk – nach Qualifikation beschäftigt und nicht nach Nichtqualifikation. Wer keine eigenen Texte verfassen kann, ist für die Arbeit als Reporter völlig ungeeignet. Dann stünde auch die Frage im Raum, warum etliche freie Mitarbeiter festangestellt wurden, zum Beispiel als Programmplaner oder Redakteure. Deren Arbeit wird auch von freien Mitarbeitern erledigt, die allerdings nicht weisungsgebunden seien, aber nur deshalb, weil sie offensichtlich imstande sind, eigene klare Sätze zu formulieren.
Diese Definition ist der erste Persilschein, den die Gerichte den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ausgestellt haben. Der zweite bezieht sich auf die Begrifflichkeit programmgestaltend.
Während bereits einige nichtprogrammgestaltende Mitarbeiter, etwa Techniker oder Bürokräfte, vor dem Bundesarbeitsgericht ihren Anspruch auf Festanstellung durchsetzen konnten, scheitern Reporter, Redakteure oder Autoren mit diesem Anliegen, weil sie eben programmgestaltend seien.
Und wer programmgestaltend ist, der darf jederzeit (auch nach Jahrzehnten) von seinem Sender ausgetauscht, sprich: entlassen werden. Auch für diese besondere Betrachtungsweise haben die Gerichte eine Begründung: den Artikel 5, Absatz 1, Satz 2 des Grundgesetzes:
“ Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“
Obwohl das Freiburger Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 18.12.2013 (Seite 12) darauf hinweist, dass die Verfassung nicht ausschließt, dass auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen ist, erkennt es primär auf das Recht der Rundfunkanstalten auf Pressefreiheit, zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung. Das heißt (ganz einfach ausgedrückt): um seine Vorstellung von Programmgestaltung durchzusetzen, kann der SWR langjährige freie Mitarbeiter entlassen, wann immer er will.
Es ist dieser Widerspruch, der auch vom Freiburger Arbeitsgericht nicht gewürdigt wurde: Im Sinne der Freiheit der Programmgestaltung (die der SWR selbst vorgibt und vornimmt), findet das allgemeine Arbeitsrecht bei den arbeitnehmerähnlichen Mitarbeitern keine Anwendung, weil diese, die freien Mitarbeiter, programmgestaltend seien. Das ist absurd. Vielleicht hat auch deswegen der Rechtsanwalt des SWR vorm Arbeitsgericht argumentiert: „Der Begriff des programmgestaltenden Mitarbeiters dürfe dabei nicht zu eng verstanden werden.“
Es sind die Programmchefs (sie tragen ihren Namen nicht umsonst), die vielen Programmgremien, letztendlich der Intendant, die das Programm des SWR gestalten und nicht ein langjähriger arbeitnehmerähnlicher Mitarbeiter. Könnte der Programm gestalten, dann hätte er etwa Einfluss auf die Entscheidung, dass im SWR-Fernsehen eine Sendung wie „Leif+2“ abgesetzt wird und sich die öffentlich-rechtlichen Programmgestalter stattdessen auf den Einsatz der Gebührengelder für das Engagement von Daniela Katzenberger freuen. Allein, der als programmgestaltend bezeichnete Mitarbeiter hat keinerlei Chancen, darauf Einfluss zu nehmen und das Programm zu gestalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngsten Urteil die Einflussnahme der Parteien – auch auf die Programmgestaltung – als unzulässig erklärt. Es ist zu hoffen, dass es dahingehend auch sein oben genanntes Urteil vom 13. Januar 1982 auf den Prüfstand stellt und – nach 32 Jahren – prüft, wer tatsächlich für die Programmgestaltung zuständig ist.
Am 21. März tagte in Stuttgart der SWR Rundfunkrat. Ihn wollte ich über die Situation der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung informieren, da ich der Meinung bin, dass der Rundfunkrat des SWR über dieses – womöglich richtungsweisende – Klageverfahren informiert sein sollte.
Meine Bitte, die Rundfunkräte dahingehend in Kenntnis zu setzen, wurde von der Geschäftsstelle Rundfunkrat und Verwaltungsrat abgewiesen. Nüchtern hieß es:
Sehr geehrter Herr Kissel,
… Die Landesrundfunkräte sind in erster Linie für Programmfragen zuständig und müssen nicht über den Zwischenstand einzelner arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen unterrichtet werden.
Freundliche Grüße
Theresa David
Geschäftsstelle Rundfunkrat und Verwaltungsrat
Erstaunlich genug. Gerade deshalb müssten nach der Sichtweise des SWR die Rundfunkräte über meine Situation informiert werden: weil sie für Programmfragen zuständig sind. Und SWR führt stets an, ich sei programmgestaltend. Folglich ist auch dieser Vorgang fernab jeglicher Logik angesiedelt.
Gestern, am 27. März, war der Intendant des SWR, Peter Boudgoust, im Freiburger Studio zu Besuch. Er wollte u.a. über die Zukunft des Studios informieren. Da ich von Gerichts wegen als „programmgestaltend“ und von SWR wegen als „arbeitnehmerähnlich“ klassifiziert bin, wollte ich an der Informationsveranstaltung teilnehmen und hören, was der Intendant zu sagen hat. Die Teilnahme (ich wurde nicht eingeladen) wurde mir vom Leiter des Freiburger Studios, Rainer Suchan, untersagt.
Demnächst mehr an dieser Stelle.
Von der „Teamarbeit“ des SWR