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Vom 3. Oktober

Franz Josef Wagner hat am 03.10.2012 Post an den 3. Oktober verschickt. Und der 3. Oktober hat geantwortet.

Lieber Franz Josef Wagner,

Gestern (sic!) – das man übrigens nach einem Komma in der Anrede klein schreibt – hatten weder alle frei, noch konnten alle schön ausschlafen, Spaziergängchen machen oder abends Champions League gucken. Und wenn überhaupt gefeiert wurde, dann auf Staatskosten – wie sinnigerweise in München, wo sich auch mein Kollege, der 9. November, mit dem Marsch des Verfassungsschutzes auf die Feldherrnhalle feiern lässt.

Leider stimmt das Dichterwort: Wenn Träume wahr werden, lassen ihre Farben nach. 69 Jahre. Die Geschichte verwischt auch Ihre Spuren. Wie man sieht.

Wer heute durch Berlin fährt, kann sich die Mauer nicht mehr vorstellen. Niemand weiß, wie viele Tote es an der Mauer wirklich gab. Außer Ihnen.

270 Erschossene, Ertrunkene, von Minen zerfetzte Mauertote gab es, wissen Sie.

Heute, 22 Jahre danach, glitzert der Todesstreifen, er ist die elegante Berlin-Mitte. Mit Gucci, Hermes, Dolce & Gabbana in der Friedrichstraße. Schuhe: 900 Euro. Damenhandtaschen: 2000 bis 10 000 Euro. Die Treuhand hat’s möglich gemacht. Kein Platz für Geringverdiener. Dachterrassenwohnungen, käuflich ab 2 Mio. Euro. Dazwischen das Promi-Restaurant „Borchardt“, das Edelkaufhaus Quartier 206 und die Parteizentralen von CDU und FDP.

Sie fragen, was für ein Tag der 3. Oktober sei und geben zugleich die Antwort. Ich sei ein Tag des Erinnerns. Leider haben Sie schon wieder vergessen, woran man sich erinnern soll.

Welchen Tag haben wir eigentlich heute?

Herzlichst (wie oft denn noch: o h n e Komma)
Ihr 3. Oktober

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