1. Tag / Montag, 26. März
2 Stunden Zugfahrt zum „Stadtteil“ Cronulla. Dort nehme ich das Auto von Karl und Traudi auf. Die beiden kamen in den 60-ern aus Österreich und wollten eigentlich nur 2 Jahre bleiben. Die meisten, die hier geblieben sind, wollten eigentlich nur ein oder zwei Jahre bleiben. Aber eine australische Seele haben sie nicht bekommen. Traudi ist die personifizierte Unfreundlichkeit. Sie hätte heute noch „Guten Tag“ zu sagen. Dafür geht ihr ein launisches „Koarl, did ju tscheck da Cröditcoard?“ wesentlich leichter von den schmalen Lippen. Deshalb bin ich auch nicht böse, dass es nach einer knappen Stunde für Einweisung und Papierkram losgeht. Mein erstes Ziel: Keine 500 Meter vom Übergabeort für den Toyota Landcruiser hat am 28. April 1770 Capitain Cook mit seiner Endeavour geankert. Der Anker ist immer noch da. Gibt es einen besseren Startpunkt für einer Reise durch Australien ?
Erster Eindruck
Anschließend gibt es einen ersten Eindruck von der Weite des Landes und wie die Menschen damit umgehen. Karl hat mir einen Wegeplan aufgezeichnet, wo ich „in der Nähe“ am besten noch etwas einkaufen könnte. Ein DIN A 4 Blatt mit Straßen, Kreuzungen und Häusern. Nur, dass das Ganze nicht nach europäischer Vorstellung in der Nähe war, sondern nach australischer. Die auf dem Blatt als „nächste“ eingezeichnete Kreuzung war 20 Kilometer weiter. Gemerkt habe ich es, als ich gut und gerne 15 Kilometer zurückgefahren bin, weil ich dachte, ich hätte die Kreuzung verpasst. Aber es kam keine. Naja, Australien eben. Wieder umdrehen und dann geht’s aber wirklich los. Meine erste Etappe soll mich in die „Nähe“ von Goulburn führen. Ich habe mich mit Urs Wälterlin verabredet, den ich persönlich noch nicht kenne.
Bei Urs Wälterlin
Urs kommt aus Basel, ist politischer Journalist und arbeitet für mehrere deutschsprachige Zeitungen. Mir haben seine Artikel im „Australien-Magazin“ gefallen. Deshalb wollte ich ihn kennenlernen. Ich solle zu ihm nach Hause kommen, sagt er. Sein Haus liegt ca. 25 Kilometer von Goulburn entfernt. „Ok, wenn ich um 10 Uhr los fahre“, sage ich am Telefon mit einem Finger auf Goulburn und Blick auf die Karte, deren Maßstab ich nicht beachte, „werde ich wohl gegen Mittag ankommen“. Es sollte später Nachmittag werden – sehr später Nachmittag.

Urs Wälterlin vor seiner ersten Behausung in Australien. Das hat etwas von Pioniergeist.
Ein kurzes Hallo. Kein Vorwurf, wo ich denn bliebe. Uhrzeit sei etwas relatives in Australien, beruhigt mich Urs. Er wohnt inzwischen mit seiner Frau Christine und den beiden Kindern David und Samuel in einem netten Haus. Das Grundgerüst ist aus Eisen, sonst würden die Termiten alles wegfressen. Zwei Jahre lang haben sie in einem kleinen Wohnwagen gewohnt. Später in einem etwas größeren, dann in einem kleinen Häuschen, einem sogenannten Shed (Scheune), ein kleiner Bungalow in Leichtbausweise. Wohnungstechnisch also eine typische „Pionierkarriere“.
Einkaufen und erste Nacht
Gegen Abend fahre ich Urs zum Elternabend in der Schule nach Goulburn, einer 25.000 Einwohner-Stadt. Ich gehe einkaufen. Urs gibt mir den Tipp: „Woolworths, dort bekommst Du alles.“ Recht soll er behalten. Ich bekomme wirklich alles. Jedenfalls alles, was ich glaube, zu brauchen. Corned Beef und solche Sachen. Meine Güte, wenn das der Ernährungsberater wüsste. Aber was soll’s, Australien eben.
Am Grillstand noch schnell das gegrillte Bein eines Huhns besorgt und dann ab nach „Hause“. Dachzelt hin oder her, Urs hat mir das Shed zur Verfügung gestellt. Das ist doch wesentlich komfortabler. Zumal ich in den nächsten 7 Wochen kein Bett mehr sehen werde. Und weil der Jetlag noch nicht ganz aus den Knochen ist, mahnt mein Körper nach dem Essen zur Nachtruhe. Aber erst muss noch ein Antihistamin einpfeifen. Erstaunlich: Der Heuschnupfen, den ich aus Deutschland mitgebracht habe, ist schlimmer geworden. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Gegen halb Zehn schlafe ich ein, aber über Australien sind die Lichter schon etwas vorher ausgegangen.